Verl. Im Vorfeld einer geplanten Exkursion zur Wewelsburg beschäftigten sich Schülerinnen und Schüler des neunten Jahrgangs am Gymnasium Verl mit der Frage, wie unterschiedlich Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus gehandelt und gelitten haben. Der vorbereitende Workshop mit dem Titel „Held – Täter – Opfer“ wurde von Bildungsreferentin Lena Wiele vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. durchgeführt – auf Initiative der Oberstudienrätin Nadine Zenses, die zugleich aktives Mitglied des Kreisvorstandes Gütersloh ist.
Alle fünf Klassen des Jahrgangs nahmen an insgesamt drei Tagen an dem Projekt teil. Ziel war es, Rollenzuschreibungen im Nationalsozialismus kritisch zu hinterfragen und sich mit der Verantwortung des Einzelnen auseinanderzusetzen. Die Jugendlichen formulierten zunächst eigene Definitionen der Begriffe „Held“, „Täter“ und „Opfer“. In Gruppenarbeiten setzten sie sich anschließend mit realen Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Ein besonderer Fokus lag auf Biografien mit Bezug zu Ostwestfalen-Lippe. Dazu gehört beispielsweise Ilse Schönthal, die 1941im Alter von 14 Jahren aus Herford nach Riga deportiert und dort ermordet wurde, aber auch Jürgen Stroop, der in Detmold geboren wurde und 1943 auf brutale Weise den Aufstand im Warschauer Ghetto niederschlug.
Die Schülerinnen und Schüler analysierten die Lebenswege, diskutierten moralische Entscheidungen und ordneten die Biografien ein – oftmals mit dem Ergebnis, dass einfache Einteilungen nicht immer möglich sind. Schnell wurde deutlich: Eine Person, die im Nationalsozialismus als Held gefeiert wurde, kann für uns heute ein Täter sein. Ebenso kann jemand, der zur Zeit seines Handelns von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt wurde, aus heutiger Sicht als Held gelten.
Der Workshop verdeutlichte, wie sehr gesellschaftliche Wertungen vom historischen Kontext abhängen – und wie wichtig es ist, individuelle Entscheidungen im Licht ihrer Wirkung auf andere zu reflektieren. Die gemeinsame Auseinandersetzung mit der Geschichte förderte nicht nur das Verständnis für komplexe historische Zusammenhänge, sondern auch das Bewusstsein für die eigene Verantwortung in der Gegenwart. „Wenn uns bewusst wird, dass der Nationalsozialismus überall war, auch in unserer eigenen Region, dann erkennen wir auch, dass wir alle Verantwortung für eine friedliche Gegenwart und Zukunft tragen. Es ist an uns, unser Miteinander auf Basis von Respekt und Toleranz zu gestalten.“ gab Bildungsreferentin Lena Wiele den Schülerinnen und Schülern am Ende des Workshops mit auf den Weg.
Sowohl die Jugendlichen als auch die Lehrkräfte zeigten sich sehr zufrieden mit dem Projekt. „Ich fand es spannend, Biografien von Menschen kennenzulernen, die nicht in den Geschichtsbüchern vorkommen“, sagte eine Schülerin. Oberstudienrätin Nadine Zenses kündigte an, den Workshop auch für zukünftige neunte Jahrgänge gerne wiederholen zu wollen.
Text: Lena Wiele